Eine international in den letzten Jahren sehr intensiv geführte Diskussion stellt die Bedeutung des „Lehnswesens“ für die Strukturierung früh- und hochmittelalterlicher Reiche nachdrücklich in Frage. Derzeit scheint sogar unklar, ob und gegebenenfalls ab wann es ein „Lehnswesen“ überhaupt gab. Für das deutsche Reich glaubt die jüngste Forschung erst für den Zeitraum von 1150 bis 1250 Phänomene zu erkennen, die dem klassischen Lehnswesen sehr nahekommen.
Das Freiburger Projekt will diese Formierung des Lehnswesens im Hochmittelalter untersuchen, um die Tragweite von Umbrüchen herrschaftlicher, sozialer und politischer Strukturen besser und auch neu bewerten zu können.
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Im Zentrum des Projekts stehen hierbei folgende Fragen:
- Kam es in der Stauferzeit nach Ausweis der schriftlichen Quellen zu einer „Formierung des Lehnswesens“?
- Welchen Einfluss hatte in diesem Prozess der Neukategorisierung politischer Ordnungen und sozialer Beziehungen das in den Rechtsschulen Oberitaliens niedergeschriebene Lehnrecht?
- Ob und wenn ja, wie tiefgehend veränderten sich bestehende soziale Praktiken der Landleihe durch diesen Prozess?
Um diese Frage zu beantworten, wird in Teilprojekt A geklärt werden, worin das „Lehnrecht“ im Sinne der neuen Rechtsgelehrsamkeit überhaupt bestand. Dazu wird die Textbasis der ‚Consuetudines feudorum‘ gesichert, und deren Fortwirken im deutschen Reich untersucht.
Ferner werden in Teilprojekt B in Zusammenarbeit mit den Monumenta Germaniae historica (München) und dem Projekt „Computational Historical Semantics“ (Frankfurt) lexikometrische Datenerhebungsverfahren an sämtliche edierten Königsurkunden des 12. und 13. Jahrhunderts angelegt, um den Wandel lehnrechtlicher Bezeichnungen zu erforschen.
Ergänzend dazu wird in Teilprojekt C (assoziiertes Dissertationsprojekt) anhand von Privaturkunden untersucht, wie im Hochstift Bamberg neue präzisierte lehnrechtliche Konzepte im Alltag der Leihe wirkten.